Cate Blanchett und Michael Fassbender als smartes Ehepaar im Kinofilm "Black Bag"

Steven Soderbergh ist ein Meister der Ironie: Für seinen Spionagethriller „Black Bag“ hat der US-Regisseur verdientes James-Bond-Personal engagiert – allen voran Ex-007 Pierce Brosnan, der hier als Leiter der Cyber-Abteilung im britischen Geheimdienst mal eben die Lizenz zum Töten vergibt: „Sämtliche Maßnahmen zur Ergreifung des Verräters bleiben unhinterfragt“, weist Arthur Stieglitz seine Leute an. Früher musste sich Brosnans Bond von Chefin M diese ultimative Erlaubnis erteilen lassen.
Naomie Harris, die einstige Miss Moneypenny bei Bond, ist als hauseigene Psychologin Zoe Vaughan dabei. In ihrem Behandlungssessel nimmt das halbe Spionage-Kollegium Platz. Zoe spielt ebenso ein schwer durchschaubares Spiel wie alle anderen Beteiligten, die sich entweder misstrauen oder ein Verhältnis miteinander haben. Das eine schließt das andere keinesfalls aus.
Das hat mit dem Berufsalltag der Geheimnisträger zu tun. Wie soll ein professioneller Spion auch einem Partner oder einer Partnerin außerhalb der Firma erklären, was er gar nicht erklären darf? Da bleibt man doch lieber innerhalb der eigenen Peergroup untreu. Dann reicht ein Hinweis über den Frühstückskaffee hinweg auf die titelgebende „Black Bag“. Der Bezug auf die symbolische schwarze Tasche bedeutet so viel wie: Liebling, bitte frag nicht weiter, bis zum Abendessen bin ich in geheimer Mission unterwegs.
So verfahren jedenfalls Kathryn St. Jean (Cate Blanchett) und George Woodhouse (Michael Fassbender). Das Ehepaar bewegt sich formvollendet durch diesen von der Kleidung bis zu den Immobilien todschicken Film – und dazu noch in gegenseitiger Treue, was einem Alleinstellungsmerkmal gleichkommen dürfte. Dann aber wird der so selten lächelnde George auf seine eigene Frau angesetzt.
Könnte ausgerechnet Kathryn diejenige sein, die das Computer-Schadprogramm gestohlen hat, das zur Kernschmelze in jedem Atommeiler auf diesem Planeten führen würde (und seltsamerweise auf einem altmodischen Computerstick herumgetragen wird)? Wem gegenüber soll George loyal sein: seiner Gattin oder Großbritannien?
Wer sich an actionlastigen Eheklamauk unter Agenten nach Art von „Mr. & Mrs. Smith“ mit Brad Pitt und Angelina Jolie erinnert fühlt, liegt daneben. Der Regisseur und sein ausgefuchster Drehbuchautor David Koepp – verantwortlich für Filme von „Jurassic Park“ über „Mission: Impossible“ und „Panic Room“ bis hin zu „Indiana Jones“ – sind nicht an herkömmlichen Spionageschmarren interessiert.
Soderbergh hat noch jedes Genre auf seine Bedürfnisse zugeschnitten, egal ob es sich um ein Beziehungsdrama (der Cannes-Sieger-Film „Sex, Lügen und Video“), ein Gauner-Movie („Ocean’s Eleven“) oder einen globalen Virus-Thriller handelte („Contagion“ war in Corona-Zeiten erschreckend aktuell).
Gewiss, in „Black Bag“ zieht schon mal eine tödliche Drohne ihre Bahnen hoch über den Wolken und kippt gen identifiziertem Ziel nach unten ab. Genauso wird per Satellit eine Sitzbank in Zürichs Stadtzentrum in Großaufnahme herangezoomt oder auch eine Dienstwaffe deutlich vernehmbar durchgeladen und griffbereit im Angelzubehör versteckt. Genauso wichtig aber sind Sicherheitsfreigaben, Dienstausweise und vor allem ein hochmoderner Lügendetektor.
Kochen kann der hochintelligente George auch. Was tut er also, als ihm der Zettel mit den fünf Verdächtigen (darunter Kathryn) ausgehändigt wird, unter denen er den Täter oder die Täterin finden soll? Er veranstaltet ein Dinner inklusive Gesellschaftsspiel.
Allerdings gelten verschärfte Bedingungen: George mixt eine Wahrheitsdroge ins leckere Chana Masala. Und dann verzieht er keine Miene, als der Abend mit Gattin sowie mit Clarissa Dubose (Marisa Abela), Zoe (Harris), James Stokes (Regé-Jean Page) und Freddie Smalls (Tom Burke) zu eskalieren droht.
Zur Rätselauflösung werden sich die Beteiligten in Agatha-Christie-Manier erneut um den Wohnzimmertisch versammeln. George muss seine kleinen grauen Zellen mächtig anstrengen, um ans Ziel zu gelangen.
Mit etwas bösem Witz ließe sich sagen: Hercule Poirot sieht jetzt viel besser aus, steckt nicht mehr voller Marotten und ermittelt neuerdings für den britischen Geheimdienst. Nach der Vorführung darf das Kinopublikum darüber sinnen, welche zielführenden Hinweise es zuvor übersehen hat und ob das kleinteilige Puzzle wirklich zusammenpasst.
Bis dahin haben wir einen auf Effektivität getrimmten, 93 Minuten kurzen Thriller gesehen, der nicht ganz so smart ist, wie es die Filmemacher gern hätten. Beeindruckender ist aber die Eleganz des Films. Multitalent Soderbergh zeichnet unter seinen bekannten Pseudonymen ebenso für Kamera und Schnitt verantwortlich.
So viel darf verraten werden: Bei einem lockeren Spruch am Beginn sollte man genau zuhören. Er lautet: Manchmal sei es gut, die Wahrheit unter den Teppich zu kehren.
„Black Bag“, Regie: Steven Soderbergh, mit Michael Fassbender, Cate Blanchett, Naomie Harris, Pierce Brosnan, 93 Minuten, FSK 12
rnd